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Donnerstag, 21. November 2013

20.11.2013 - Eröffnung BUCH WIEN, Sibylle Lewitscharoff zur Zukunft des Buches.



Vor wenigen Stunden ist sie von Fr. Bundesministerin Claudia Schmied offiziell eröffnet worden, die sechste internationale Buchmesse in Wien vom 21. bis zum 24. November 2013. 330 Verlage aus 10 Ländern präsentieren sich und ihr Programm. 300 AutorInnen gastieren in rund 400 Veranstaltungen. Ein dichtes Terminprogramm, bei dem die LeserInnen die Gelegenheit haben, die AutorInnen zu treffen, den Lesungen zu lauschen und sich mitgebrachte und vorort gekaufte Bücher signieren zu lassen. Ich werde am Freitag um 15:30 auf der Bühne Halle D Forum antreten (s. u. oder rechts).
Mit Fr. Volkmer bei Amalthea...
Die Festredner zur Eröffnung waren der Präsident des Hauptverbandes des österr. Buchhandels Gerald Schantin, die Fr. Bundesminister Claudia Schmied und der Kulturstadtrat von Wien Andreas Mailath-Pokorny.
Claudia Schmied zitierte in ihrer Eröffnung den Gedanken des deutsch-schweizerischen Schriftstellers, Psychologen und Psychoanalytikers Arno Gruen, nach dem den Büchern ein besonderer Stellenwert in der menschlichen Entwicklung zukommt, weil die vermittelten Inhalte so etwas wie die erste Inneneinrichtung der Köpfe sind.
Gerald Schantin...
Den Festvortrag, für mich der Höhepunkt der Veranstaltung, hielt die diesjährige Georg Büchner-Preisträgerin Sibylle Lewitscharoff. Ihre lange Liste an Auszeichnungen hat in Österreich begonnen, mit dem Ingeborg Bachmann-Preis 1998. Das Thema ihrer Worte war die Zukunft des Buches.
Andreas Mailath-Pokorny...
Sibylle Lewitscharoff begann ihr bewegendes und mitreißendes Plädoyer für das Buch und das Lesen mit der Aussage nach Botho Strauß, dass das Buch eine Verschlossenheit ist. Das Buch folgt demnach einer Schatullen-Funktion, die eine ganze Welt in sich birgt. Und so sind die besten LeserInnen schon immer nie jene gewesen, die über das Erlebte/Erlesene geredet haben, sondern die sich diese Funktionsweise angeeignet haben, erklärte Sibylle Lewitscharoff. 
Nur wenige Menschen aus Fleisch und Blut, die mit uns gemeinsam auf einem Zeithorizont leben, sagte sie weiter, kennen wir wirklich. Wer liest kennt Menschen, nicht wer zig SMS-Nachrichten verschickt und mal Krach mit der Freundin kriegt. Allein in einem Buch besteht die Möglichkeit, eine Persönlichkeit auszuloten und in die Motive und Umstände der Beobachteten einzutauchen. Beim Lesen bietet sich nach Lewitscharoffs Darstellung die einmalige Chance, in das Werk und in die Gedanken eines Toten und damit in die Welt eines anderen Zeithorizonts vorzustoßen. Die Protagonisten der Erzählungen werden zu einer "Geistfamilie", die uns das ganze Leben hindurch begleitet. Und Sibylle Lewitscharoff verriet uns auch einige Mitglieder ihrer Geistfamilie.
Claudia Schmied...
Das 20. Jahrhundert in der deutschsprachigen Literatur gehörte den Österreichern, bestätigte Sybille Lewitscharoff, von Musil, Kafka über Thomas Bernhard und Peter Handke bis zu den popkünstlerartigen Auftritten von Ernst Jandl. 
Und nicht die Zukunft des Buches, meinte Sibylle Lewitscharoff weiter zu uns, sondern die Vergangenheit des Buches gebe Auskunft über seine Bedeutung und seinen Stellenwert. Sie wollte trotz der Themenvorgabe keine wie auch immer geartete Prognose über die weitere Entwicklung des Buches abgeben, weil so ziemlich alles, was sie in den verschiedenen Lebensaltern geglaubt hatte, niemals geschehen ist.
Sibylle Lewitscharoff glaubt an die Zukunft des Buches zwischen zwei Deckeln. Das Buch sei ein habhaftes Objekt, bei dem sich ästhetische und haptische Eindrücke mit der aufgenommen Information lustvoll verbinden. Dieses Empfinden könne keine vom Bildschirm abgelesene Datei ersetzen.
Sibylle Lewitscharoff...
Über den multinationalen Konzern amazon und seine Pläne, demnächst elektronische Buchdienste anzubieten, erklärte Sibylle Lewitscharoff mit Augenzwinkern jedoch in meinen Ohren zu Recht ernst gemeint:
Wenn ich den Tod dieser Firma erlebe, was zugegebener Maßen zu meinen Lebzeiten  sehr unwahrscheinlich erscheint, werde ich mit einem Jubelruf auf den Lippen niedersinken.
 Die Festrednerin sparte auch nicht an Kritik für neue politische Strömungen und Organisationen, die Inhalte gratis ins Netz stellen möchten. Leistung, stellte Sibylle Lewitscharoff klar, müsse bezahlt werden. Es ginge dabei nicht nur um den einen „Strawanzel“, der das Buch geschrieben hat, sondern um eine Vielzahl von Angestellten, die das fertige Buch als Gemeischaftsprodukt auf den Weg bringen, vom Cover über den Vertrieb bis hin zur Pressearbeit. Und den Großteil des Problems sieht Sibylle Lewitscharoff in der Geisteshaltung der Gesellschaft, die nichts achtet, was nichts kostet.
Ich gebe Sibylle Lewitscharoff in allem Recht, und ich verorte einen weiteren Aspekt der Problematik in dem völlig nachvollziehbaren und begreiflichen Umstand, dass viele LeserInnen Bücher als einen Teil der Freizeit ansehen, ihrer wohlverdienten Freizeit und Entspannung. Für uns AutorInnen und die PartnerInnen vom Verlag sind Bücher kein Teil der Freizeit, sie sind unsere Arbeit. Der Alltag, den unser Produkt für (hoffentlich) viele vergessen macht.
Kaiserschmarrn am Buffet...
Es ist für alle leicht nachvollziehbar, denke ich, dass der Preis, den man einem Handwerker für seine Leistung bezahlt, auch dem Wert der Arbeit entspricht. Bei geistiger Arbeit tun sich da leider einige schwerer. Der Preis eines Buches entspricht leider nicht der Arbeit die drinnen steckt, und nicht nur von einem sondern von vielen. Ein Handwerker muss sich seine Fähigkeiten mühsam aneignen. Das müssen eine Autorin und ein Schriftsteller auch, eine fundierte Ausbildung absolvieren und sich die notwendigen Kenntnisse aneignen. Vorbereitungen, die vom errechneten Stundenlohn für Autorinnen und Schriftsteller unbezahlt bleiben. Menschen, die das negieren und sich als Naturtalente oder von einer höheren Macht Inspirierte darstellen, leisten ihren hart arbeitenden KollegInnen und sich selbst meiner Meinung nach einen waschechten Bärendienst und betrügen ihre LeserInnen.
Musik lag in der Luft...
Wir leben heute in einer Meritokratie, das heißt die Mehrheit der Posten und Aufgaben werden an diejenigen vergeben, die auch die nötigen Fähigkeiten besitzen. (So sollte es zumindest sein.) Um das zu gewährleisten, hat sich die Rechtfertigungsgesellschaft entwickelt, wir legen Rechenschaft ab über unser Tun, wir können und müssen Zeugnisse vorweisen. Aber es gibt keine (ernstzunehmenden) Zeugnisse für AutorInnen außer ihren Büchern. Und diese Bücher sollen für alle eine Freude und Bereicherung sein, und für die UrheberInnen noch mehr als (schon bisher) der Lebensinhalt, nämlich auch der Lebensunterhalt.

Sybille Lewitscharoff und alle anderen RednerInnen des mittlerweile gestrigen Abends bekannten ihren Glauben an das Buch und an die unverbrüchliche Liebe und Treue zwischen LeserInnen und AutorInnen, und ich tue es hiermit auch.

Alles Liebe!