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Sonntag, 17. September 2017

Ein Ösi in Connecticut (Teil 15)



Teil 15: Mind Shaking Mindf***ing


Make US smart again! PLEASE!
Die mächtigsten Stürme und Waldbrände, die jemals aufgezeichnet worden sind, haben eine Spur der Verwüstung durch den Süden und den pazifischen Nordwesten der USA gezogen. Sie haben Tausende ins Elend gestürzt, Träume zerfetzt und Lebenswerke fortgespült als wären sie auf Sand gebaut gewesen. Ich bin oft besorgt gefragt worden, ob wir in New Haven Ausläufer zu spüren bekommen haben. Nein, das alles hat tausende Kilometer von Connecticut entfernt stattgefunden, die USA sind, wie schon oft gesagt, riesig. Für uns war die tatsächliche Erfahrung so, also ob in Algerien ein Wüstensturm stattgefunden hätte, und wir in Wien gewesen wären. Gefühlt waren wir natürlich viel näher dran. Die Nachrichten und The Weather Channel hatten viel zu berichten, das Wetter war außer Rand und Band. Harvey, Irma und die Wildfires haben so manches Hirn aufgemischt. Aber oft nicht so, wie ich es erwartet hätte.
Man muss kein Zyniker sein, um zu sagen: Es hat eine Reihe von Naturkatastrophen gebraucht, um die US-amerikanische Regierung zum Funktionieren zu bewegen, das heißt: Den US-Präsidenten einen Deal mit den Demokraten schließen zu lassen. Zugunsten der Bevölkerung und zum Schrecken der Republikaner, aber vor allem zum Entsetzen seiner Wähler. Bei denen hat sich zwischen den Ohren nur eines von A nach B bewegt, sie wollen ihren Präsidenten plötzlich auch abgesetzt sehen. Jetzt wollen sogar einige führende Republikaner den Geisteszustand des Präsidenten untersucht sehen. Und in dieser Situation fällt es mir fast unmöglich zu glauben, dass es in der einst fortschrittlichsten Demokratie der Welt schwieriger sein sollte, den Präsidenten abzusetzen, als den Papst der römisch-katholischen Kirche. Um einen Pontifex abzusetzen bedarf es laut kanonischem, d.h. kirchlichem Recht zweier Gründe: papa idioticus oder papa haereticus. Die beiden Rechtsfiguren beschreiben einen Papst, der im ersten Fall durch völlige Behinderung oder bewiesene Unzurechnungsfähigkeit nicht mehr in der Lage ist, sein Amt auszuführen, oder im zweiten Fall zum Irrlehrer geworden ist. Vor der Unfehlbarkeit (Infallibilitätsdogma 1870) war es für die Synode noch viel einfacher, einen solchen Papst demokratisch aus dem Amt zu befördern (vor allem im zweiten Fall). Einen Papst hat man sogar zum Ketzer verurteilt und verdammt, allerdings nachdem er bereits tot war. Die Leiche von Honorius I. landete im Tiber. Theoretisch ist es möglich, das Oberhaupt der letzten absoluten Monarchie in Europa sowie einer Weltreligion abzusetzen, auch wenn der Münsterische Kommentar da anderer Meinung ist. Dieser Kommentar beruft sich in seiner Argumentation allerdings alleine auf Gott und den Glauben, nicht auf Gesetz und Medizin. Das macht die Beweiskette nach heutigen Standards etwas dünn. Papst Benedikt XVI. hat sich jedenfalls selbst aus gesundheitlichen Gründen faktisch abgesetzt. Für die Absetzung des Präsidenten der Vereinigten Staaten gelten keine höheren Weihen, für seine Absetzung würde ein ärztliches Attest genügen. Seine völlige Unberechenbarkeit hat er mehrmals zur Schau gestellt und in die Welt gezwitschert. In Zeiten einer atomaren Bedrohung durch Nordkorea löst sein Verhalten nicht nur bei seinen Gegnern, sondern auch bei seinen Parteifreunden Fracksausen aus. Das alles ist Wasser auf die Mühlen des Impeachments. Wir werden sehen, ob es Tropfen auf den heißen Stein bleiben.
Damit nicht genug, am 21.8.2017 gab es eine vielbestaunte, dennoch unheimliche totale Sonnenfinsternis. Unter all diesen Umständen ist für viele einmal mehr das Ende der Welt angebrochen. Die Apokalypse steht vor der Tür, die Pferde der vier Reiter scharren in den Startlöchern. Alle warten gespannt, wann der nächste Engel ins Horn bläst. Die ersten Male Tuten haben einige schon deutlich gehört. Für die Angst vor der Endzeit brauchen wir uns nicht zu genieren, erklären uns aufgeklärte Medien (u.a.: Washington Post), die Ereignisse als Zeichen zu interpretieren und sie in einen Zusammenhang zu setzen, das entspreche ganz der menschlichen Natur. Anders gesagt, unser Verstand sucht nach Zusammenhängen und Erklärungen von heftigen Reizen. Aber, so heißt es weiter, Wissenschaftler sagen uns, dass die Welt so nicht funktioniert. Welche Wissenschaftler, oder auf welche Weise die Welt wirklich funktioniert, das erfahre ich in solchen Erklärungen nie. Und das macht mich unfroh. Ich soll einfach glauben, dass „die Wissenschaft“ die Welt anders erklärt. – Kurzer Zwischenstopp! ICH weiß, dass die Wissenschaft durchaus in der Lage ist, jedes einzelne der Phänomene zu erklären. Nur, ich habe mich zeitlebens informiert, es nachgelesen. Ich versuche hier wiederzugeben, was ich der öffentlichen Diskussion entnehme. – Ich bleibe mit dem diffusen Unglück zurück, dass die Autoren oder Moderatoren selbst nicht genau wissen, was diese ominöse Wissenschaft zu sagen hat. Ich soll ihr aber alles glauben. Und jetzt wird es hinterfotzig und gruselig: Die Vertreter der wissenschaftlichen Erklärung bleiben diffus, diejenigen, die an die Offenbarung der Endzeit glauben, werden verdammt konkret. Sie geben ihre Argumente klipp, klar und nachvollziehbar wider: Die totale Sonnenfinsternis fand am 21. August statt, Harvey traf das Festland von Texas am 25., und am 26. folgten die Erdbeben in Guatemala und in Italien. Das ergibt: 21-25-26. Eine völlig zufällige Zahlenreihe. Füge ich diese Zahlen allerdings in ein Glaubenssystem ein, dann schlägt es 13. Die Wiederkunft des Herrn steht bevor:
And there shall be signs in the sun, and in the moon, and in the stars; and upon the earth distress of nations, with perplexity; the sea and the waves roaring; Men's hearts failing them for fear, and for looking after those things which are coming on the earth: for the powers of heaven shall be shaken.
Lk 21, 25-26; King James Version
„Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird den Völkern bange sein, und sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres, und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen.“
Lk 21, 25-26; Lutherbibel 1984
Erstaunlich, nicht wahr? Hier sind sie alle miteinander schwarz auf weiß: die Sonnenfinsternis, die Stürme, die Tsunamis, die Erdbeben und ein Führer in schwierigen Zeiten, der einen die Gänsehäute rauf und runter jagt. Ich habe nichts anderes in sechs Büchern getan als aus willkürlichen Zahlen und unzusammenhängenden Fakten nachvollziehbare Verstrickungen gebaut. Aber warum zum Teufel sollte es Gott, der Allmächtige, tun? Warum sollte er, der da herrscht von Ewigkeit zu Ewigkeit, sich an den modernen Kalender US-amerikanischer Zeit halten? An die Textauswahl von Nicea, an die reformierte Zählung der Kapitel und Verse oder an den Kanon der King James Version der Bibel? Die reformierte Bibel besteht aus 66 Büchern, 1189 Kapiteln und 31.171 Versen. Es ist unfassbar viel Hirnschmalz und Arbeit notwendig, aus drei zufälligen Zahlen ein solch treffendes Ergebnis zu erzielen. Und ein fester Glaube. Im Grunde muss ich schon vorher wissen, dass diese spezifische Versfolge Jesu Prophezeiung über die Wiederkunft des Menschensohns ist, sonst komme ich nie darauf. Der Teufel sitzt im Detail, bin ich versucht, zu sagen, denn just an den richtigen Monatstagen treffen genau die Ereignisse zusammen, die überall und jederzeit als Zeichen einer Endzeit gedeutet wurden. Und seien wir uns ehrlich, treten alle Phänomene zusammen auf, die uns heute noch solche Angst machen, sind in der Geschichte tatsächlich Hochkulturen und ganze Zeitalter zu Ende gegangen. Die Autoren der Bibel wussten aus der Geschichte, was alles auf einmal zu geschehen hat, dass sogar große Reiche den Bach hinuntergingen. Zuletzt in ihrem Erfahrungshorizont, am Ende der Bronzezeit. Hier kann mir die Wissenschaft, Historie und Exegese, klar erklären, warum welche Mittel in prophetischen Texten angewendet worden sind. Alles andere ist möglich, weil es möglich ist. Und es wirkt, wenn ich es glaube. Der kürzeste Vers der Bibel ist übrigens Joh 11, 35: „Und Jesus gingen die Augen über.“ Ich kann es ihm nachvollziehen.
Es ist wieder einmal der Glaube, der Berge versetzt. Die Autoren der prophetischen Texte haben so fundierte Beglaubigungsfunktionen in ihren Schriften eingesetzt, dass Menschen heute noch blass werden beim Lesen. Dagegen sehen die Argumente jener, die wollen, dass wir der Wissenschaft glauben und vertrauen hierzulande ziemlich mau aus. Weil im Grunde niemand weiß, wer oder was diese Wissenschaft eigentlich ist, man ihr aber voll und ganz vertrauen muss. Das treibt seltsame Früchte. Wer nämlich denkt, dass Harvey und Irma ein Umdenken bei den Trump-Wählern eingeleitet hätten, der irrt gewaltig. Insbesondere Irma ist der größte jemals aufgezeichnete Sturm, sie hat alle Rekorde gebrochen. Aber sie hat sich wieder „auf Normalgröße“ aufgelöst. Und weil es vor 12 Jahren schon einen Sturm ähnlichen Ausmaßes gegeben hat, kann man darin eine natürliche Entwicklung erkennen. Aber naturgemäß nur, wenn man mit vollem Herzen nicht an den menschenverursachten Klimawandel glaubt. Der habe mit den Katastrophen und Phänomenen nämlich deshalb nichts zu tun, weil sie alle von der Wissenschaft erklärt werden können! – WHAT? – Diese Leute glauben nicht an den menschenverursachten Klimawandel, weil die Wetterphänomene wissenschaftlich erklärt werden können! In ihrem Verständnis wäre der Klimawandel nur dann real, wenn die Ereignisse, die ihre Existenzen zerstört haben, nicht von Wissenschaftlern erklärt werden könnten. Dass es die Wissenschaft ist, die seit Jahren vor genau den Dingen warnt, die jetzt geschehen, das haben sie nicht auf dem Schirm.
Warum ist das so? Weil diese Menschen es in Diskussionen nur mit polemischen Klugscheißern zu tun bekommen, denen eines abgeht, was die Autoren und Übersetzer der Bibel hatten: den Zugang zu den Menschen. Sie haben den Leuten aufs Maul geschaut, ihnen vom Herzen geredet und fundierte Beglaubigungsfunktionen benutzt. Klar ist das auch Populismus. Aber wir leben in einer Demokratie. Klar, ich kann lachen und sagen: „Betet nicht, wählt lieber eine Regierung, die an die Wissenschaft glaubt!“ Aber damit gewinne ich bei der nächsten Wahl wieder keinen Blumentopf. Tretet mit Respekt vor diese Leute hin, sprecht ihre Sprache, benutzt ihre Bilder und erklärt ihnen, wer und was Wissenschaft ist. Gedemütigt und ausgelacht werden sie ohnedies jeden Tag in ihren Leben.
Wieviel Wertschätzung für die Gefühle, den Verstand und die Bedürfnisse der Wähler in der Politik herrscht an einem Beispiel aus dem österreichischen Wahlkampf: „Ein Elektriker muss zehn Stunden arbeiten, dass er sich eine Stunde Arbeit eines Mechanikers leisten kann!“ Skandalös, sage ich. Der Skandal ist aber ein anderer als erwartet. Dem Politiker wurde so oder so für diesen Satz applaudiert. Aber was hat er gesagt, wovon ist er ausgegangen? Dass das Wichtigste im Leben eines arbeitenden Menschen das Auto ist. Das formuliere ich so, er hat mit Sicherheit einen Mann angesprochen. Weil in seinem Gesellschaftmodell der Mann das Geld verdient und die Steuern zahlt. Die Frau bleibt daheim, oder arbeitet halbtags und unterbezahlt. Die heilige Kuh, das Automobil, ist der Maßstab, der an die Welt angelegt wird. Der Wagen bestimmt den sozialen Status. Und der bemisst sich wiederum am Einkommen. Und dieses wird besteuert. Logischer Schluss: Je weniger Steuern der Mann bezahlt, umso mehr kann er in sein Auto investieren. Sein Ansehen steigt, er fühlt sich besser, er wird den Politiker wählen. Am Ende zahlt er wirklich weniger Steuern auf sein Einkommen, fährt sogar ein besseres Auto. Aber plötzlich ist kein Geld mehr da für das, wofür er wirklich neun von den zehn Stunden gearbeitet hat und wofür er unser aller Respekt verdient: Krankenversorgung, Sozialversicherung, Schulen, und die Infrastruktur. Also auch kein Geld für die Straßen, auf denen er mit seinem Auto herumfährt. Möchte jemand einen maroden Highway adoptieren? Hier in Connecticut sind ein paar zu haben! Wenn mein ganzes Leben um das Auto kreist, es sogar die hohe Politik von mir möchte, dann lasse ich mir von einem diffusen Gespenst ohne Gesicht namens Wissenschaft nicht einreden, dass ich nicht mit dem Auto herumfahren darf, weil das irgendwie das Klima beeinflusst. Blöderweise fehlt jetzt nämlich auch das Geld für die Lehrer und Professorinnen, die in Schulen und auf Universitäten erklären könnten, wie sich das zueinander verhält. Und dann bauen sich Rednecks und Hillbillys ihre Trucks so um, dass sie noch mehr schwarzen Dieselrauch in die Atmosphäre blasen. Aus Protest gegen die Lügenpresse, Fakenews und protestierende Ökos, Bürgerrechtler und Feministinnen. Diesen Leuten hat man bereits glaubhaft gemacht, dass Health Care kein Recht ist. Krankenversorgung ist etwas, wofür man selbst zu sorgen hat. Nur zahlt man hier keinen Selbstbehalt, hier bekommt man eine Rechnung. Die muss bezahlt werden. Mit Glück zahlen die Krankenversicherungen einen Teilbetrag zurück. Meistens tun sie es nicht. Und weil kein Staat einspringt, kostet z.B. eine kleine Tube Medizin, 50mg Salbe, über 500 US-Dollar. From there the sky is the limit. Ein Krankenhausaufenthalt mit Untersuchung und Behandlungen geht in die zehntausende. Viel Glück mit dem eigenen Ersparten. Ist das aus, ist auch die medizinische Versorgung vorbei. Aber wir hatten den SUV unserer Träume in der Garage. Lasset uns beten!

Fortsetzung folgt…